Wie mir angeraten wurde, vereinbare ich sofort für Montag (10.7.17) einen Termin bei meinem Frauenarzt. Ich sitze also im Sprechzimmer und erfahre, dass als nächstes eine Magnetresonanztomographie kurz MRT ansteht, damit man besser erkennen kann, was „das“ in meiner Brust genau ist. Der Termin ist übermorgen. Ich bin gerade ziemlich verunsichert, weil mein Doc mir nichts Genaues sagen kann und mich auch nur weiterschicken kann. Wir sprechen zwar lange über meine Fragen, mögliche Szenarien und Behandlungen, doch muss auch er warten, bis er Befunde erhält. Da ist es wohl verständlich, dass meine Gedanken nicht die Positivsten sind. Dann sind da noch Familie und Freunde, die mich ja nur aufbauen möchten, aber ehrlich gesagt, in dieser Situation auch nicht die beste Hilfe sind. Die meisten sagen Dinge wie „Du wirst schon sehen, es ist eh nichts. Alles wird gut!“.
Es ist Mittwochmorgen 10Uhr (12.07.2017). Ich sitze im Wartezimmer für die Magnetresonanztomographie. Da kommen in mir plötzliche panische Gedanken hoch wie „Wenn ich Krebs habe, dann werde ich vielleicht sterben. Aber ich will doch noch gar nicht sterben!“, „Was wird aus meiner Tochter?“, „Schafft mein Mann das alles alleine?“, „Wird meine Tochter ohne Mutter aufwachsen müssen? Aber sie braucht doch eine Mutter!“ usw. Ich bemühe mich, diese Gedanken nicht an mich heran zu lassen, bis ich weiß, was los ist. Doch manchmal überkommt es mich dann doch, und ich fühle diese schreckliche Angst vor den folgenden Untersuchungen und Befunden.
Im Behandlungsraum setze ich mich auf meine Liege und bekomme Kontrastmittel gespritzt. Dann lege ich mich auf dem Bauch, werde angewiesen, mich nicht mehr zu bewegen, bekomme Kopfhörer auf und werde langsam in die Röhre hinein gefahren. Trotz Kopfhörer höre ich das Knallen, Rauschen und Piepen immer noch sehr laut. Ich bin froh, dass ich nicht unter Platzangst leide in dieser engen, lauten Röhre. Eine gefühlte Ewigkeit später bin ich endlich fertig und werde herausgefahren. Alles ist mir eingeschlafen, was nur einschlafen kann. So unbequem habe ich noch nie auf dem Bauch ausharren müssen.
Noch am selben Abend sitze ich wieder bei meinem Frauenarzt, um die Befunde zu besprechen. Ich freue mich schon, dass ich heute etwas schlauer nach Hause gehen werde. Aber zu früh gefreut! Der Doc erklärt mir, dass man genau sehe, dass in beiden Brüsten „etwas“ ist, aber noch durch eine Biopsie abgeklärt werden muss, was es genau ist. Wie bitte? In beiden Brüsten? Das auch noch! Ich werde langsam verrückt. Ich, der ungeduldigste Mensch auf dieser Erde, habe nach der 4. Untersuchung immer noch keinen blassen Schimmer, ob das, was alle sehen, nun gut oder bösartig ist. Mein Doc sieht wohl die Verzweiflung in meinen Augen und fängt an, mir genau zu erklären, was eine Biopsie ist, damit ich mich etwas darauf einstellen kann. Danach verspricht er mir, dass wir nach der Biopsie sicher wissen werden, was „es“ ist und können dann besprechen, wie die Behandlung weiter geht.
Die beiden Nächte vor der Biopsie sind geprägt von Alpträumen und Schweißausbrüchen, obwohl es mir tagsüber weitestgehend gelingt, meine Gedanken auf Positives zu fokussieren. Aber heute ist es endlich soweit. Auf dem Weg zur Biopsie reden mein Mann und ich nur unwichtiges Zeug, als würden wir beide versuchen, unsere negativen Gedanken etwas abzuschotten.
Wieder mal in einem neuen Sprechzimmer sitzend, warten wir auf die Ärztin. Wie sich später im Gespräch herausstellt, eine sehr nette und kompetente Ärztin. Wir reden kurz über meine Vorgeschichte, dann erklärt sie mir, dass sie nur links die Biopsie, wie geplant durchführen kann, weil „es“ groß genug ist, um Gewebe zu entnehmen. Für die rechte Seite müsse Sie die Biopsie in Verbindung mit dem MRT im Krankenhaus vornehmen, denn „es“ ist zu klein, um mit bloßen Auge im Ultraschall zu sehen, wo man genau das Gewebe entnehmen muss…. Was ich mir daraufhin denke, will ich nun nicht weiter ausführen.
Los geht’s. Ich lege mich auf die Liege, bekomme ein Lokalanästhetikum gespritzt. Dann wird mir eine Kanüle in die Brust gesteckt, durch die eine Stanznadel in meine Brust hinein geführt und dann mit hoher Geschwindigkeit in das Tumorgewebe geschossen wird. Die Nadel schnellt mithilfe einer Führungshülse blitzschnell in den Tumor und entnimmt dabei das Gewebe. Ich werde vor dem folgenden Knall zwar vorgewarnt, doch merke ich trotzdem, wie ich zusammenzucke. „Super!“ sagt die Ärztin „Das ging doch gut! Jetzt nur noch 5x!“ Ich finde es gar nicht super und erkläre ihr, dass es wirklich ziemlich wehgetan hat und frage ob das so sein soll. Nach einer weiteren Lokalanästhesie, höre ich dann nur noch die „Schüsse“, aber die Schmerzen spüre ich glücklicherweise nicht mehr.
Nach der Biopsie brennt mir eine Frage auf den Lippen, und ich frage die Ärztin nach ihrer ehrlichen Meinung, was sie denkt, was „es“ sein kann. Kurz und bündig sagt sie „Mir gefällt gar nicht, was ich da sehe!“ OK, na bumm! Das ist jetzt ein Schock! Heißt das jetzt, ich habe Krebs? Wieso stelle ich eigentlich so eine doofe Frage, wenn ich mit der Antwort nicht leben kann. Manchmal sollte man einfach die Klappe halten. Wie soll ich jetzt, bis ich den Befund am nächsten Dienstag bekomme, durchhalten ohne verrückt zu werden?
Zum Glück habe ich, um mich abzulenken und die Woche doch noch mit guten Gedanken abzuschließen, gestern (15.7.17) meine praktische und damit letzte Prüfung zum diplomierten Functional Strength Master Trainerin mit Erfolg bestanden. Dann unternehmen wir alle, inklusive meiner Eltern, die zu Besuch aus Deutschland angereist sind, eine tolle Bootsfahrt auf der alten Donau auf einem großen Elektroboot mit einer riesigen Couch. Wir lachen und reden viel und ich genieße diese intensive Zeit mit meiner Familie plötzlich noch viel mehr als sonst. Ich koste diese Momente noch mehr aus, wenn meine Tochter oder mein Mann mich in den Arm nehmen. Es sind tolle Gefühle, die mir aber auch gleichzeitig Angst machen, dass sich irgendetwas daran ändern könnte.