So, jetzt muss ich auf die Toilette. Ich klingele also nach der Schwester, die mir ausdrücklich befohlen hat, das erst Mal, nur in Begleitung aufzustehen. Ich raffe mich also auf, jetzt sehe ich auch das erste Mal die vier Plastikbehälter, in die die Wundflüssigkeit hineinläuft. Noch weiß ich nicht genau, wie ich das anstellen soll mit diesen Teilen auf die Toilette zu gehen. Die Schwester hat eine Idee – sie holt mir zwei Klinik Sackerl und stellt sie auf den Boden. Dann kommen zwei Behälter links und zwei Behälter rechts in das Sackerl, und fertig bin ich zum Aufstehen. Langsam erhebe ich mich vom Bett in der Angst, dass mir gleich ziemlich schwindelig wird. Hoffentlich kippe ich nicht um! Doch glücklicherweise geht es super. Ich gehe also auf die Toilette mit meinen beiden Sackerln – langsam – aber es geht zum Glück alles alleine. Nur die Bewegung des „Putzens“ und das Händewaschen sind ziemlich anstrengend und schmerzhaft…
Nach dem Toilettengang steht das Frühstück an meinem Bett. Ja, da steht es nun, ein Tablett voller Frühstück, aber wie soll ich das zu mir nehmen? Wie soll ich mir bloß den Tee einschütten? Oder wie soll ich mir ein Brötchen aufschneiden, geschweige denn schmieren oder belegen? Mir tut zwar gerade nichts weh, aber ich kann meine Arme kaum bewegen oder heben. Zum Glück kommt die Schwester gerade wieder ins Zimmer, die mir jetzt helfen kann. Sie schneidet mir meine Semmel auf, schmiert Butter darauf, belegt sie mit Wurst, schüttet mir Tee ein und bereitet mein Müsli zu. Jetzt sollte ich aber frühstücken können. Denkste… denn auch hier muss man seinen Arm heben und zum Mund führen, um abbeißen zu können… Aber das ist mir inzwischen eh egal, denn mir ist der Hunger wirklich vergangen! Ziemlich gefrustet lege ich mich wieder hin, lasse mir mein Handy geben, um mich irgendwie abzulenken und warte darauf, dass mein Mann hoffentlich bald kommt.
Kurz vor dem Mittagessen ist er endlich da. Er bringt mich immer so zum Lachen, deswegen tut er mir sehr gut. Wir reden über unwichtiges Zeug und lachen viel, als die Schwester mit zwei Infusionen ins Zimmer kommt. Sie freut sich mit uns, dass wir so einen Spaß haben. Als das Mittagessen kommt, bin ich inzwischen echt hungrig. Glücklicherweise kann mich mein Mann jetzt füttern. Viel kann ich zwar nicht essen, aber das ist normal einen Tag nach so einer Operation – sagt zumindest die Schwester.
Eigentlich wollte ich heute duschen beziehungsweise mich von meinem Mann waschen lassen. Doch ich fühle mich gerade nicht nach aufstehen. Ich will einfach nur daliegen und mit meinem Mann quatschen. r Nach ein paar Stunden muss er leider wieder gehen, und ich schaue mir eine Serie nach der anderen im Internet an. Da ich mich so gar nicht konzentrieren kann und zwischendurch immer wieder einschlafe, sind Serien der beste Zeitvertreib. Abends kommen mich noch zweimal Freunde besuchen. Ich dachte zwar, dass ich eigentlich niemanden sehen will, wenn ich nur so herumliege und mich schrecklich fühle, doch habe ich mich dann tatsächlich sehr gefreut, als sie herein kamen. Es ist eine tolle Ablenkung, und ich habe gleich jemanden, der mir beim Abendessen helfen kann.
Gegen 00.00 Uhr bekomme ich meine letzten Infusionen für heute, danach versuche ich zu schlafen. Obwohl ich tagsüber immer wieder einschlafen kann, gelingt es mir jetzt überhaupt nicht. Mir schwirren komische Gedanken durch den Kopf. Ich habe plötzlich Megaangst, dass ich keinen Sport mehr machen kann. So bewegungsunfähig wie ich derzeit bin, kann ich mir nicht vorstellen, dass ich überhaupt je wieder so beweglich und sportlich sein werde, wie ich es zuvor war. Was mache ich denn, wenn ich danach wirklich irgend welche Einschränkungen habe? Kann ich dann jemals ein eigenes Studio eröffnen? Werde ich wieder richtig unterrichten können? Ich habe mir vorgenommen, das ich meinen Traum leben möchte, nachdem ich das alles hinter mir habe. Wird das überhaupt möglich sein? Oder muss ich meinen Traum hinter mir lassen? Ziemlich schnell mache ich lieber wieder meine Serien an, denn solche Gedanken kann ich gerade gar nicht gut vertragen. Sicherheitshalber verlange ich nach einer Schlaftablette, damit ich hoffentlich irgendwann einschlafen kann.
Tag 3
Es ist wieder einmal genau 5:30, als ich vor Übelkeit aufwache. Mir ist so schlecht, dass ich mich kaum bewegen kann. Bei jeder Bewegung denke ich, mich gleich übergeben zu müssen. Was ist das denn jetzt? Ich klingel erst einmal nach der Schwester, die mir sofort eine Infusion gegen Übelkeit anhängt. Zum Glück geht es mir bei jedem Tropfen besser. Echt toll, dass es Infusionen gegen Übelkeit gibt☺. Als es mir wieder einigermaßen gut geht, warte ich auf das Frühstück. Leider erfahre ich aber, dass ich heute gar kein Frühstück bekomme, weil die Computertomographie ansteht. Wie soll ich das bloß aushalten, ich habe jetzt schon einen Riesenhunger. Zur Erklärung: Die Computertomographie wird durchgeführt, um zu untersuchen, ob der Krebs vielleicht schon in meine Organe gestreut hat. Sie untersuchen meinen gesamten Thorax und Abdomen.
Es ist schon 11 Uhr, als ich von einem Praktikanten abgeholt werde. Er ist eine ziemliche Quatschtante. Die gesamte Zeit, in der ich mich in den Bademantel quäle, meine vier Drainagen in die Sackerln verstaue und mich in den Rollstuhl hinein setze, erzählt er mir Geschichten über seinen Bekannten, der betrunken vom Tisch gefallen ist und sich dann sämtliche Knochen gebrochen hat. Als wir uns dann auf den Weg nach unten machen, hat er schon wieder eine neue Geschichte parat. Im Wartebereich vor dem Behandlungszimmer angekommen, wird er zurück auf die Station geschickt mit der Information, dass man ihn anrufe, wenn er mich wieder holen kann. Doch da seine Geschichte ja noch nicht fertig war, hat er sich zu mir gesetzt, um in Ruhe fertig zu erzählen. Zum Glück holt mich dann aber, mitten in der Geschichte, eine Ärztin für die Computertomographie ab.
Mal wieder bekomme ich erst ein Kontrastmittel gespritzt und lege mich dann auf die Liege. Das ist dieses Mal ein ziemlich schwieriges Unterfangen, jetzt, wo ich mich sowieso kaum bewegen kann. Aber mit der Hilfe des Assistenten bekomme ich das irgendwie hin. Nachdem wir alle Schläuche und Behälter meiner Drainagen verstaut haben, werde ich langsam in den Tomographen hineingeschoben. Ich muss ganz still daliegen. Um mich herum dreht sich etwas – diese Mal zum Glück ohne viel Geräusche. Nach circa 5 Minuten ist auch schon alles vorbei. Mit Schmerzen und viel Mühe erhebe ich mich wieder.
Als hätte er wirklich die ganze Zeit auf mich gewartet, steht der Praktikant bereits vor der Tür, um mich in mein Zimmer zu bringen und natürlich mir die Geschichte fertig zu erzählen. Wieder in meinem Bett, bekomme ich gleich meine Infusionen mit Schmerzmittel und Antibiotika angehängt. Obwohl ich ja gar nicht viel gemacht habe, war der Ausflug ziemlich anstrengend. Es klopft…. Endlich! Das Mittagessen wird serviert. Glücklicherweise kann ich meine Arme heute schon so weit heben, dass ich meine Suppe selbstständig löffeln kann. Sogar die Hauptspeise kann ich essen, nachdem sie von der Betreuerin meiner Zimmernachbarin klein geschnitten wurde.
Nach dem Mittagessen lege ich mich erschöpft nieder, um etwas zu schlafen. Doch leider machen mir die Schmerzen einen Strich durch die Rechnung. Es tut plötzlich alles so weh! Ich setze mich irgendwie im Bett auf, weil ich hoffe, dass es vielleicht besser wird. Doch plötzlich kann ich mich gar nicht mehr rühren. Ich kann weder vor noch zurück, nichts geht mehr. Es fühlt sich an, als bekäme ich keine Luft. Es tut alles so schrecklich weh, dass mir die Tränen nur so die Wangen hinunterlaufen. Ich versuche den Notknopf zu drücken, doch der ist so weit weg, dass es unmöglich ist, ihn zu erreichen. Ich sitze also bewegungsunfähig vor Schmerzen auf dem Bett und weine. Jetzt weiß ich, was meine Ärzte meinten mit: „Es ist kein Zuckerschlecken und die ersten Tage werden sicher ziemlich hart.“ Aber hart ist gar kein Ausdruck! Total hilflos sitze ich da und weiß nicht, was ich machen soll.
Glücklicherweise ist die Betreuerin meiner Zimmernachbarin noch da und klingelt für mich nach der Schwester. Als diese endlich da ist, will sie mir zuerst helfen, mich hinzulegen. Doch ich weigere mich. Ich kann mich einfach nicht bewegen, keinen Millimeter. Weinend und ziemlich verzweifelt darf ich dann glücklicherweise so sitzen bleiben, während ich wieder eine neue Infusion mit Schmerzmitteln eingesteckt bekomme. Erst spüre ich keinerlei Verbesserung. Dann nach gefühlten Stunden wird es langsam besser mit den Schmerzen. Mit Hilfe der Schwester, die mir den Notknopf sicherheitshalber in die Hand gegeben hat, kann ich mich wieder hinlegen. Doch aufhören zu weinen kann ich nicht. Wieso weiß ich auch nicht. Es fließen die Tränen einfach so hinunter…
Kurze Zeit später sagt mir eine Schwester, dass sie mit meinem Frauenarzt telefoniert hat. Er hat mir eine Psychologin bestellt, und diese wird demnächst bei mir sein, ob ich damit einverstanden bin. Natürlich stimme ich zu, aber ich überlege trotzdem – wieso das jetzt nötig ist. Vielleicht weil ich so geweint habe? Oder ist das normal und sie kommt zu jedem? Mal sehen!!!
Mein Mann kommt zur Tür hinein. Ich erzähle ihm alles. Er nimmt mich erst einmal fest in den Arm. Ich bin so froh, dass er da ist. Erst einmal fällt alles von mir ab und schon wieder muss ich weinen. Als ich mich beruhigt habe, kann er mich zum Glück schnell wieder zum Lachen bringen, und ich vergesse erst einmal die schrecklichen letzten Stunden.
Als es klopft und die Psychologin hinein kommt, ist mein Mann zum Glück noch da. Gemeinsam sprechen wir über die Geschehnisse und wie es uns geht. Aber ehrlich gesagt, weiß ich nicht wirklich, wie es mir geht. Ich sage der Psychologin zwar, dass alles ok ist, aber wirklich auseinander gesetzt habe ich mich mit dem ganzen Thema seit der Operation nicht wirklich. Klar, ich stecke mittendrin, aber ich habe das Gefühl, dass alles so schnell ging, dass ich dafür noch keine Zeit hatte. Es ist schwierig zu beschreiben. Ich glaube, ich verdränge derzeit auch noch die schlechten Gedanken und Gefühle. Ich kann das ja alles sowieso nicht ändern! Die Psychologin empfiehlt mir, meine Erlebnisse und Gedanken aufzuschreiben, das soll helfen, alles zu realisieren und besser zu verarbeiten. Aber ganz ehrlich! Wieso soll ich das aufschreiben? Ich kann mir nicht vorstellen, dass das helfen kann.
Die Psychologin sagt uns, wie begeistert sie von uns als Paar ist. Das wir glücklich wirken und einen tollen Zusammenhalt haben. Es sei auch nichts Ungewöhnliches, dass Männer ihre Partnerin nach so einer Diagnose verlassen, weil sie beispielsweise mit dem Gedanken nicht klar kommen, dass die Brüste abgenommen werden – auch wenn diese rekonstruiert werden. Das schockt mich zugegebenermaßen. Was sind das für Männer, die so oberflächlich sind?!?! Ich bin jedenfalls froh, dass ich meinen Mann an meiner Seite habe und sich das hoffentlich auch nicht ändert. Andererseits muss ich gestehen, dass ich mir auch große Sorgen mache, wie mein Mann mit der ganzen Situation umgeht. Ob er mich mit riesigen Narben und Silikon in den Brüsten überhaupt noch lieben kann? Es macht mir Angst, weil ich ja selbst nicht weiß, wie ich damit umgehen soll! Ich konnte ja auch noch nicht einmal unter den Verband schauen! Ich selbst bin zwar nicht so ein „Brüste“ Typ. Ich bin eher ein „Po“ Typ und habe mir noch nie viele Gedanken über meine Brüste gemacht. Ich erzähle das alles der Psychologin, die mir erklärt, dass es eben seine Zeit dauert, alles zu realisieren und zu verarbeiten. Aber ich dürfe nicht die Augen verschließen vor negativen Gefühlen und Ängsten, denn das sei nicht die richtige Art, damit umzugehen, sonst holt es mich irgendwann einmal ein.
Als die Psychologin gegangen ist, reden wir noch einige Zeit über alles eben Besprochene. Ich beichte meinem Mann, dass ich schon schreckliche Angst davor habe, wenn heute Abend der Verband abgenommen wird, und ich mich das erst Mal im Spiegel ansehe. Wenn ich das erste Mal meine „Brüste“ sehe oder eher gesagt, das, was davon übrig ist. Da meine Ärztin im Ausland ist und erst gegen 21 Uhr in Wien landet, wird es heute sicherlich spät bis sie kommt. Ich bin schon ziemlich aufgeregt, was mich da später erwartet. Ich habe natürlich schon versucht, unter den Verband zu schauen, doch leider ist dieser so eng, dass man nichts sehen kann.
Kurz nachdem mein Mann weg ist, kommt mich eine Freundin besuchen. Ich merke, wie gut mir die Ablenkung von Freunden tut. Die sind irgendwie anders in ihrem Denken als die Familie. Vielleicht weil sie sich nicht so große Sorgen machen oder weil sie nicht so tief involviert sind. Ich erzähle ihr, dass meine Psychologin mir geraten hat, alles aufzuschreiben. Ich bin jedoch skeptisch. Erstens glaube ich nicht, schreiben zu können und zweitens kann ich mir nicht vorstellen, dass es hilft. Aber auch sie ermutigt mich, es doch einfach einmal auszuprobieren. Hmmmmm, ich werde den Gedanken einmal reifen lassen, vielleicht ändert sich meine Meinung ja noch.
Am Abend lasse ich mir gleich das Abendessen von der Schwester klein schneiden, damit ich es essen kann. Ich habe zwar das Gefühl, dass ich beweglicher werde, aber wenn ich genau darüber nachdenke, ist das nur der Fall, wenn ich viel Schmerzmittel intus haben. Wegen des Vorfalls heute, bekomme ich jetzt sogar eine Infusion mehr als vorher. Das heißt, ich bekomme nun viermal am Tag zwei Infusionen Schmerzmittel und eine Infusion Antibiotika.
Endlich ist es 22 Uhr. Ich warte gespannt auf die Ärztin. Um 22:30 Uhr habe ich auch noch Hoffnungen, dass sie bald kommt. Damit die Zeit schneller vergeht, lenke ich mich mal wieder mit meinen Serien ab. Meine Mutter fragt auch schon die ganze Zeit, ob die Frau Doktor schon da war. Vielleicht hat der Flug Verspätung und sie kommt gar nicht mehr? Um 23 Uhr habe ich dann völlig die Hoffnung aufgegeben und bin ziemlich geknickt. Die ganze Aufregung war also umsonst. Der Verband bleibt wohl dran.
Es ist 23:30 Uhr, als es leise an der Tür klopft und meine Ärztin das Zimmer betritt. Ich sage ihr natürlich, dass ich nicht dachte, dass sie noch kommt. Wohingegen sie mir klar macht, dass sie es mir doch versprochen habe und es dann auch sicher einhält. Sie hilft mir, mich aufzusetzen. Dann kommt die Sekunde der Wahrheit. Sie entfernt den Verband, und ich sehe von oben das erste Mal, was da unten so los ist. Es ist wirklich alles weg bis auf die Brustwarzen. Alles ist ganz flach. Ich bin zwar sehr glücklich darüber, dass die Brustwarzen dran bleiben konnten, aber ich bin trotzdem „verständlicherweise“ geschockt über das Nichts. Außerdem sieht meine linke Brustwarze gar nicht gut aus – alles ist verkrustet und verklebt. Es sieht aus wie eine riesige Schürfwunde.
Sie begleitet mich zum Spiegel, wo ich das ganze Ausmaß sehe. Ich muss schlucken. Lange kann ich nicht hinschauen. Ich will einfach nur schnell wieder ins Bett. Sie beruhigt mich, dass durch die Auffüllung der Expander ganz schnell wieder Volumen da sein wird. So wird es ja nicht bleiben und ich kann mir sicher sein, dass sie die Brüste wieder ganz schön machen wird. Ich solle mir auch keine Sorgen um meine linke Brustwarze machen, die wird sicher auch wieder ganz verheilen. Ich bin natürlich skeptisch. Ich habe mir im Vorfeld zwar viele Bilder von amputierten Brüsten und Narben im Internet angesehen. Es ist jedoch etwas völlig anderes, wenn man die eigene flache Brust und die eigenen riesigen, mindestens 15 cm langen Narben in den Brustfalten sieht. Ich kann mir nicht wirklich vorstellen, das meinem Mann zu zeigen, wenn ich das selbst nicht einmal ansehen möchte.
Ich frage sie, warum die ganze Prozedur denn so schmerzhaft ist, ob das bei „normalen“ Brustvergrößerungen auch so sei. Ich habe auch so viel mehr Schmerzen in der rechten als in der linken Seite, obwohl der Krebs doch in der linken Seite war. Wieso ist das so? Bin ich wehleidig? Sie klärt mich auf, dass durch die komplette Entnahmen des Drüsengewebes, von vorne herein mehr Schmerzen entstehen als es bei eine „normalen“ Brustvergrößerung der Fall ist. Bei mir ist der rechte Brustmuskel durch meinen Sport auch noch so viel stärker als der Linke. Sie hat ziemlich schuften müssen und viel Arbeit damit gehabt, meinen rechten Muskel zu lösen, um dann eine Tasche für den Expander zu machen. Das ist der Grund, warum ich mehr Schmerzen in der rechten Seite spüre. Aber grundsätzlich ist eine Mastektomie kein Spaziergang für den Körper und die Seele. Durch die ganzen Wunden enstehen die schlimmen Schmerzen, die leider auch noch eine Weile anhalten werden. Der Heilungsprozess dauert eben seine Zeit, aber ich soll nicht leiden und könne jederzeit Schmerzmittel dagegen einnehmen.
Zuletzt sprechen wir noch über die Hochzeit meines Bruders. Ich frage, ob sie denkt, dass wir hinfahren können. Sie ist sich ziemlich sicher, dass bis dahin die Wundflüssigkeit aufhört zu laufen und ich fahren kann. Darüber bin ich sehr glücklich. Wenn ich ehrlich bin, vermisse ich meine Tochter schon so sehr. Ich war noch nie so lange von ihr getrennt. Außerdem bin ich dann einfach nur froh, endlich bei meiner Familie zu sein – dann können die mich pflegen.
Tag 4
Heute Morgen fühle ich mich ziemlich groggy, als sei ich feiern gewesen. Das liegt wohl am Schlafentzug. Es ist wieder Mal erst 5:30 Uhr, als ich die Augen aufschlage. Nach dem Besuch der Schwester um 6 Uhr, schaffe ich es zum Glück wieder einzuschlafen bis das Frühstück und die Infusionen kommen. Während ich so daliege und die Tropfen der Infusion beobachte, bin ich ziemlich traurig, weil ich daran denken muss, dass ich heute nicht bei der standesamtlichen Trauung meines Bruders und seiner zukünftigen Frau dabei sein kann. Gott sei Dank kann Emma mit meinen Eltern daran teilnehmen. Ich bekomme wunderschöne Bilder und Videos geschickt und freue mich mit. Ich wäre so gerne dabei gewesen.
Das Frühstück wird serviert, aber ich kann es wieder mal nicht essen. Aber nicht, weil ich nicht darf, sondern weil mein „Lieblingspraktikant“ mich wieder einmal für eine Untersuchung abholt . Dieses Mal steht ein Knochenscan an – auch Ganzkörperknochenszintigraphie genannt. Die wird durchgeführt, um auszuschließen, dass sich irgendwo in meinen Knochen Metastasen gebildet haben. Dieses Mal fällt es mir schon leichter, meinen Bademantel anzuziehen – da fällt mir jedoch auch gleich ein, dass ich ja mehr Schmerzmittel bekomme als gestern noch. Ob das auch der Grund dafür ist? Ich will mir gar nicht vorstellen, wie ich mich ohne Schmerzmittel fühlen würde.
Mit netten Geschichten meines „Lieblingspraktikanten“ werde ich mal wieder im Rollstuhl nach unten geschoben. Dieses Mal sind es sogar sehr amüsante Geschichten. Im Behandlungszimmer angekommen, wird mir dieses Mal sogar eine radioaktive Substanz gespritzt. Ich darf heute keinen Kontakt mehr zu Kindern oder Schwangeren haben. Jetzt leuchte ich sicher im Dunkeln ☺. Ist wohl nicht „ganz ohne“ diese Spritze. Aber egal, Hauptsache es können weitere Tumore bzw. Metastasen ausgeschlossen werden. Die radioaktive Substanz muss sich nun erst einmal 2 Stunden im Körper verteilen, und ich soll 2-3 Liter Wasser trinken, bevor der eigentliche Scan durchgeführt werden kann. Also werde ich wieder, mit lustigen Geschichten, in mein Zimmer gebracht und kann endlich frühstücken.
Als ich noch den letzten Bissen im Mund habe, klopft es an der Tür und es stellt sich ein Neurologe vor, der zu mir möchte. Er setzt sich, und wir kommen ziemlich schnell zum Thema Schmerzen, Medikamente und Schlafprobleme. Ich mache mir nämlich etwas Sorgen über die ganzen Schmerzmittel, die ich eingeflößt bekomme und ob das schädlich ist bzw. ob das süchtig machen kann. Er beruhigt mich. Ich soll keine Schmerzen haben, also kann ich jetzt, so kurz nach der Operation, so viele Medikamente nehmen, wie nötig sind. Heutzutage muss man nicht „leiden“. Nach dem Krankenhausaufenthalt ist es dann wichtig, dass ich nichts mehr nehme, bzw. nur wenn ich wirklich Schmerzen habe. Er schlägt vor, dass ich von den starken Mitteln zu den Leichten wechsle bis hin zu keinen Mitteln mehr. Jetzt bin ich schon etwas beruhigter. Erst zuhause wird es sich zeigen, wie es mir so geht und ob ich noch viele Medikamente einnehmen muss. Ich frage ihn auch, warum ich trotz Schlafmittel nicht schlafen kann? Wirken die bei mir nicht? Schlafmittel habe ich bisher nie gebraucht, weil ich mit Schlafen wirklich nie Probleme hatte. Aber warum ich im Krankenhaus kein Auge zubekomme, kann er mir auch nicht wirklich erklären. Er vermutet, dass es ganz einfach an den Umständen liegt. Er schreibt mir alles noch einmal auf, was wir besprochen haben und gibt mir seine Kontaktdaten. Genauso schnell wie er kam, ist er auch schon wieder weg.
Heute ist hier ziemlich viel los. Es ist ein Kommen und Gehen in meinem Zimmer. Ärzte besuchen meine Zimmernachbarin und mich, Schwestern kommen mit vielen Anliegen, die Zimmer werden gründlich geputzt und Besuch geht ein und aus. Hat was von Kino ☺. Aber ich genieße die Ablenkung. Kurz vor dem Mittagessen werde ich dann endlich zum Scan gebracht. Ich muss ziemlich dringend auf die Toilette nach dem vielen getrunkenen Wasser und hoffe nur, dass alles ganz schnell geht. Das Gerät sieht ähnlich aus wie ein Computertomograph. Ich muss mich wieder einmal auf eine Liege quälen und darf mich auch, wie soll es anders sein, nicht bewegen. Mein Kopf wird sogar festgeschnallt. Der Scan dauert dann nur circa 5 Minuten. Danach kann ich zurück auf mein Zimmer, wo mein Mittagessen und meine drei Infusionen schon bereit stehen – doch zuerst gehe ich mal auf die Toilette, die 3 Liter Wasser loswerden.
Die Infusionen habe ich wieder einmal dringend nötig, denn schon wieder merke ich diese ätzenden Schmerzen. Ich merke das immer daran, dass ich mich nicht mehr richtig im Bett abstützen kann, um mich aufzusetzen. Es sticht im Oberkörper und ich bekomme kurz keine Luft mehr. Dann liege ich mehr oder weniger wie eine Schildkröte im Bett und kann nicht viel machen bis die Schmerzmittel wirken. Es ist schon unheimlich, so hilflos zu sein. Ich kann mich nicht erinnern, dass ich mich in meinem Leben jemals so gefühlt habe – vielleicht als Säugling, aber das weiß ich glücklicherweise nicht mehr.
Dann klopft es, mein Mann kommt zur Tür herein – endlich ❤. Ich bin immer so froh, wenn ich ihn in meiner Nähe habe und er mich zum Lachen bringt. Ich erzähle ihm von meinem ziemlich anstrengenden und aufregenden Tag. Ich merke jedoch, dass er mit seinen Gedanken irgendwie woanders ist. Er muss nämlich leider heute Abend noch bis Montag ins Ausland, das heißt, ich sehe ihn drei Tage nicht. Wie ich das aushalten soll, weiß ich noch nicht. Denn jetzt, wo ich im Krankenhaus liege, bin ich ziemlich anhänglich und brauche doch eigentlich die Ablenkung. Da ich mich ungern in der Zeit seiner Abwesenheit von den Schwestern duschen bzw. waschen lassen will, hilft er mir heute noch einmal unter der Dusche. Bis Montag muss dann eine Katzenwäsche reichen, das bekomme ich sicher alleine hin.
Als ich wieder alleine bin, schlafe ich vor Erschöpfung sofort ein und wache erst Stunden später wieder auf als das Abendessen gebracht wird. Jetzt wo ich so lange geschlafen habe, kann ich sicher wieder in der Nacht nicht schlafen. Etwas verärgert darüber, löffle ich meine Suppe in mich hinein. Nach dem Abendessen, meinen drei Infusionen und der Thrombosespritze habe ich nur langweilige Serien gesehen und wie ich es mir schon gedacht habe, bin ich so gar nicht müde. Als ich dann um 00:00 Uhr wieder meine drei Infusionen gebracht bekomme, bin ich richtig froh über die Ablenkung – auch wenn ich es nur Tropfen sehe. Irgendwie geht es mir trotz laufender Infusion gerade gar nicht gut. Ich habe wieder so starke Schmerzen. Sehr merkwürdig! Ich rufe die Schwester und klage ihr mein Leid. Sie verschwindet kurz im Schwesternzimmer und empfiehlt mir, nach Rücksprache mit meinem Frauenarzt, dass ich eine Schmerzspritze bekomme, die mich auch gut schlafen lässt. Dem stimme ich natürlich sofort zu und tatsächlich, gefühlte 10 Minuten später weiß ich nichts mehr.
Tag 5
Ich wache auf, als mein Frühstück gebracht wird. Tatsächlich! Ich habe tief und fest geschlafen – schon fast wie ausgeknockt. Ich habe weder mitbekommen, dass die Schwester nachts im Zimmer war noch habe ich das unbequeme Bett gespürt. Ich fühle mich richtig ausgeruht. Ich frühstücke gut, dann kommen die Infusionen. Etwas geknickt, dass heute mein Mann nicht kommen wird, schreibe ich ihm wenigstens ein paar Nachrichten.
Da ich nun schon ewig meine Haare im Zopf trage, mega fettige Haare habe und wegen der Hitze draußen (39 Grad) sehr viel schwitze, frage ich die Schwester, ob es einen Hausfriseur gibt. Ziemlich erfreut, als hätte sie nur auf diese Frage gewartet, berichtet sie mir, dass sie gerade ein portables Friseurwaschbecken bekommen haben und sie sich freuen würde, das an mir auszuprobieren. Gesagt getan, kommt sie kurze Zeit später mit dem Waschbecken und einer Praktikantin zurück. Wir quetschen uns also alle drei ins kleine Badezimmer, wo mir die Haare gewaschen werden. Danach fühle ich mich wie ein neuer Mensch. Und die Abwechslung hat mir auch sehr gut getan.
Heute ist schon der 5. Tag, und ich liege immer noch hier herum und bin nicht wirklich beweglicher geworden. Aber was habe ich mir gedacht? Ich erkenne, ich muss mich etwas von dem Gedanken lösen, dass ich hier fit aus dem Krankenhaus heraus laufen werde. Es wird mir sicher noch länger ab und an schlecht gehen. Ich merke, jetzt, wo ich hier so herumliege und nachdenke, dass ich mich irgendwie mit dem ganzen Thema auseinandersetzen muss. Immer wieder schießen mir Dinge in den Kopf, die ich versuche, nicht weiter zu denken. Ich beschäftige mich oft damit, warum ich Krebs bekommen habe, aber wie ich mit dem Thema gut umgehe, weiß ich noch nicht so ganz. Ob es daran liegt, dass ich Dinge gerne verdränge, bzw. nicht gerne darüber rede? Vielleicht sollte ich ja wirklich mal alles aufschreiben – vielleicht hilft es ja wirklich. Jedem, dem ich davon erzählt habe, hat mich dazu ermutigt. Aber jetzt noch nicht! Ich bin noch nicht bereit dazu. Ich brauche dafür noch eine Weile.
Ich schlafe, als mein Frauenarzt herein kommt. Er weckt mich und beginnt, mich ausführlich über die Operation aufzuklären. Unter anderem sagt er mir, dass unter den Brustwarzen keine Veränderungen des Gewebes zu sehen waren, sie deswegen auch nicht entfernt werden mussten. Am Montag erwartet er den histologischen Befund des Lymphknotens, die Testergebnisse der Computertomographie sowie des Knochenscans. Das heißt ich erfahre dann auch endlich, ob ich mich einer Strahlentherapie unterziehen muss oder nicht. Da fühle ich, wie mir heiß wird vor Aufregung. Ich hoffe so sehr, dass ich mir das ersparen kann! Wir werden sehen!
Ich frage meinen Doc noch, ob ich rechtzeitig zur Hochzeit meines Bruders entlassen werde kann. Leider kann er mir dazu noch keine Auskunft geben. Da noch ziemlich viel Wundflüssigkeit aus meinen Drainagen fließt, sieht es derzeit nicht so gut aus. Ich werde noch verrückt, vielleicht sollte ich die Reise gleich ganz vergessen. Andererseits sind es noch 7 Tage. Ich sollte mich einfach entspannen und abwarten, denn egal wie es ausgeht, ändern kann ich ja sowieso nichts.
Nach dem Mittagessen bekomme ich meine Infusion angesteckt. Irgendetwas stimmt da aber nicht. Es tropft zwar oben von der Flasche in den Schlauch, aber anders als sonst entwickelt sich eine riesige, große Beule in meiner Armbeuge. Es sieht aus wie ein kleiner aufgeblasener Luftballon, der jeden Moment platzt. Ich rufe lieber mal die Schwester. Als sie meinen Arm sieht, stoppt sie sofort die Infusion. Sie erklärt mir, dass die angezapfte Vene, wohl keine Lust mehr auf Infusionen hat. Es war schon die ganze Zeit so, dass die Tropfen nicht mehr so richtig reinlaufen wollten. Jetzt aber hat die Vene ganz dicht gemacht und die Infusion läuft einfach nur in meinen Arme hinein. Es sieht echt unheimlich aus, aber sie beruhigt mich, dass sich die Flüssigkeit schnell von alleine wieder abbaut. Jetzt soll ich auf die diensthabende Ärztin warten, die mir einen neuen Zugang legt.
Erst eine Stunde später kommt eine Ärztin. Es wird auch höchste Zeit, dass ich den Zugang bekomme, denn ich spüre wieder diese lähmenden Schmerzen. Ich hoffe wirklich, dass die bald mal weniger zu spüren sind – auch ohne Schmerzmittel. Aber davon kann ich wohl erstmal nur träumen. Die Ärztin sieht grimmig aus und macht den Eindruck, als hätte sie nicht so einen guten Tag heute. Und mein Eindruck bestätigt sich. Sie sticht geschlagene dreimal in verschiedene Stellen meines Arms, um eine Vene zu finden. Und jedes Mal haut sie die Nadel so in meinen Arm, dass ich aufschreien könnte vor Schmerzen. Ich bin wirklich nicht wehleidig, doch das ist eine fiese Angelegenheit, und ich muss die Zähne zusammen beißen, um sie nicht zu fragen, ob sie noch ganz dicht ist.
Mit neuem Zugang bzw. einer gut tropfenden Infusion im Arm kann ich mich dann irgendwann ein bisschen entspannen. Noch dazu wurde meine Zimmernachbarin entlassen, das heißt, ich habe heute das Zimmer für mich alleine. Das nutze ich auch gleich aus und schaue mir endlich einmal wieder ohne Kopfhörer einen Film an – ganz laut! Jetzt bin ich wirklich entspannt. Wie mich die kleinen Dinge des Lebens manchmal glücklich machen können ☺
Tag 6
6 Tage bin ich jetzt schon hier. Ich habe das Gefühl, dass ich mich bald wund liege. Außer auf die circa einen Meter entfernte Toilette gehe ich nirgendwo hin. Ich muss aber auch gestehen, dass ich mich noch nicht fit genug fühle, in den Garten oder die Cafeteria zu laufen. Ich merke immer wieder, wie schwer ich akzeptiere, dass ich mich wenig bewegen kann und mein Körper von jedem „Pups“ total erschöpft ist. Eigentlich bestimme ich gerne, was mit meinem Körper passiert. Jetzt jedoch macht mein Körper mit mir, was er will.
Heute bin ich ziemlich deprimiert. Ich realisiere, dass manche „sehr guten“ Freunde nicht für mich da sind, wenn es wirklich darauf ankommt und ich sie wirklich brauche. Ich selbst denke von mir, immer alles für meine Freunde zu geben. Da ist es doch verständlich, dass ich auch etwas zurück haben möchte, wenn es mir schlecht geht. Zum Glück sind das zwar nur Ausnahmen, aber es tut in der jetzigen Situation besonders weh.
Um ein Beispiel zu nennen. Ich liege hier im Krankenhaus, mache die schlimmsten Momente meines Lebens durch und meine Freundin fährt kurzerhand einfach mal in den Urlaub. Sie kommuniziert kaum mit mir und fragt nicht wirklich, wie es mir geht. Ich bin mir sicher, dass sie auch ihre Gründe hat für ihr Verhalten. Es ist sicher auch nicht leicht zu hören, dass die Freundin an Krebs erkrankt ist. Aber wenn ich in ihrer Situation gewesen wäre, könnte ich ihr das nicht antun. Einfach so abhauen. Einige Freunde, die wirklich weit weg wohnen und nicht kommen können, sind mir näher. Sie geben mir mit ihrem ständigen Interesse das Gefühl, jederzeit für mich da zu sein. Aber gut, das sind wohl die Lehren des Lebens, die man so akzeptieren muss.
Gegen 14 Uhr kommt meine Ärztin nach mir sehen, bevor sie in den Urlaub fährt. Das würde ich jetzt auch gerne machen☺. Freudig erzählt sie mir, dass sie zwei der vier Drainagen ziehen möchte. Ui, jetzt habe ich Angst. Das tut sicher weh! Ich werde zwar beruhigt, bleibe aber skeptisch. Sie schneidet die Nähte auf, dann soll ich tief einatmen, dann kräftig ausatmen. Und tatsächlich, ohne Schmerzen verursacht zu haben, hat sie die erste Drainage in der Hand. Jetzt noch die andere Seite. Ich bin ich wirklich sehr dankbar, jetzt nur noch zwei in mir zu haben. Bei jeder Bewegung spürt man die Dinger und man muss ständig aufpassen, dass sich die Schläuche nicht verheddern.
Danach sieht sie sich noch die linke Brustwarze an. Ich persönlich finde ja, dass sie so aussieht, als würde sie bald abfallen. Ganz verkrustet und voller Schorf. Aber meine Ärztin sagt, es sieht alles gut aus. Sollte die Brustwarze wirklich abfallen, würde sie sie rekonstruieren und tätowieren… Ich brauche einige Sekunden, um das zu realisieren. Was hat sie gerade gesagt? Jetzt bin ich ziemlich geschockt! Ich dachte, das Thema sei durch, und ich kann meine Brustwarzen behalten. Jetzt aber höre ich, dass sie abfallen kann?!? Und wie? Einfach abfallen? Liegt die dann einfach im Shirt? Ich schlucke den Kloß in meinem Hals einfach hinunter. Das ist wieder einmal etwas, das ich sowieso nicht ändern kann.
Sie möchte genau wissen, wie es mir heute geht, ob ich noch viele Schmerzen habe und wie ich schlafe. Ich klage ihr mein Leid. Sie fragt, ob ich Morphium bekommen will, denn damit kann ich sicher schlafen, mein Körper braucht den Schlaf, um sich zu erholen. Ich lehne dankend ab. Morphium, das brauche ich wirklich nicht! Ich sage ihr aber, dass ich gerne das Mittel bzw. die Spritze von vorletzter Nacht bekommen möchte. Damit konnte ich bestens schlafen und hatte auch keine Schmerzen. Sie lacht mich an und sagt: „Ja liebe Theresa, das war Morphium!“ Etwas überrascht stimme ich dann doch zu, dass ich heute Abend noch einmal so eine Spritze bekomme. Tiefschlaf kann ich wirklich gut gebrauchen!
Zu guter Letzt besprechen wir den Zeitplan bezüglich der Auffüllung der Expander. Geplant ist, die nächsten 2-3 Monate die Expander erst einmal mit Flüssigkeit aufzufüllen. Und wenn diese ganz gefüllt sind, dann erst planen wir die nächste Operation. Es kommt da auch ein bisschen darauf an, wie ich die Auffüllungen vertrage, wie viel wir jeweils einfüllen können und ob ich Schmerzen bekomme. Plötzlich bin ich ganz aufgeregt und freue mich schon so sehr, dass es bald wieder aufwärts geht und ich neue Brüste haben werde. Derzeit kann und will ich mich gar nicht wirklich im Spiegel ansehen. Meine Ärztin nimmt mich in den Arm und versichert mir, dass alles gut werden wird. Sofort könnte ich wieder anfangen zu weinen. Dann verabschiedet sie sich in den Urlaub und sagt, ich könne sie jederzeit kontaktieren.
Tag 7
Die Nacht war richtig super. Ich habe sage und schreibe 8 Stunden geschlafen. Ein Traum! Ich fühle mich das erst Mal so richtig ausgeschlafen. Deswegen beschließe ich auch gleich einmal, dass ich heute das erste Mal in den Garten möchte. Mein Mann ist extra schon gestern Nacht aus dem Ausland zurück gefahren, um heute schon ganz früh bei mir zu sein. Ich freue mich schon riesig, ihn gleich in die Arme schließen zu können und ihm von meinen Plänen zu berichten. Noch dazu bin gerade so aufgeregt und hibbelig, weil ich heute alle Testergebnisse bekommen soll.
Als mein Mann zu Tür hinein kommt, sage ich ihm gleich, dass ich nach meinen Infusionen in den Garten möchte. Gesagt getan. Ich ziehe meinen Bademantel und Hausschlappen an und verstaue meine Drainagenbehälter in meinen Manteltaschen. Sieht zwar nicht so lecker aus, wenn die Schläuche, rot gefüllt, aus meinen Taschen hängen, aber ich muss ja keinen Schönheitswettbewerb gewinnen.
Im Garten ist es ziemlich heiß. Trotzdem genieße ich die Ablenkung. Nachdem wir kurze Zeit spazieren waren, fühle ich mich bereits als hätte ich gerade einen Marathon bestritten und muss mich erst einmal hinsetzen. Nach so langem Liegen bin ich jetzt nach 5 Minuten laufen schon wieder komplett erschöpft und nass geschwitzt. Das ist echt deprimierend, aber nochmal: Ich muss mir eben Zeit geben und Geduld haben!